AI und die Zukunft der Content-Produktion: Vom Instrument zum Orchester

Mehr Möglichkeiten, neue Fragen

KünstlicheIntelligenz verändert die Content-Produktion radikal. Texte, Bilder, Videos –alles lässt sich heute in Minuten erzeugen. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wird AI zur Ersatzmaschine für Kreativität, oder zum Instrument, das den kreativen Geist verstärkt?

Die Wahrheit liegt – wie in der Musik – dazwischen. AI eröffnet ungeahnte Klangräume, birgt aber auch die Gefahr, dass alle gleich klingen, wenn man sich mit Mittelmaß zufrieden gibt.

Input bleibt entscheidend: „Shit in, shit out“

Ein Instrument klingt nur so gut, wie es gespielt wird. Genau so verhält es sich mit AI: DerOutput ist nur so gut wie der Input. Generische Eingaben erzeugen generischeErgebnisse. Wer jedoch eigene Gedanken, Erfahrungen und Nuancen einfließen lässt, komponiert einzigartige Melodien statt Standardsounds.

WertvolleInhalte entstehen dann, wenn Strateg:innen, Expert:innen und kreative Köpfe die„Komposition“ steuern: Sie bringen originäre Perspektiven ein, veredelnErgebnisse gezielt – und schaffen aus simplen Akkorden ein markantesStück.1 2

AI glättet – und warum das gefährlich ist

AI hat dieTendenz, ungewöhnliche Töne zu nivellieren. Ausreißer, die im Trainingsmaterial schwach vertreten sind, werden oft abgeschliffen. Das Ergebnis:„Mainstream-Klänge“ in einem neutralen Wikipedia-Ton.

So wird AI zu einem Verstärker bestehender Narrative – nicht zu einer Quelle völlig neuerMotive. Es braucht den Musiker mit klarer künstlerischer Haltung, damit derKlang unverwechselbar bleibt. 3

Parallelen zur Tech-Welt: Vom Junior zum Virtuosen

Auch in der Tech-Branche zeigt sich der Wandel: Routineaufgaben verschwinden zunehmend.Früher übernahmen Juniors das einfache „Noten abschreiben“ – heute erledigenGitHub Copilot & Co. genau diese Tätigkeiten.

Die Rolle von Expert:innen verändert sich. Statt Standards zu lösen, orchestrieren Mid-Level-und Senior-Spezialist:innen komplexe Kompositionen mithilfe von AI-Tools. FürBerufseinsteiger:innen eröffnet das paradoxerweise Chancen: Sie können früher anspruchsvollere „Stücke“ spielen – sofern sie Improvisation lernen statt nurTonleitern herunterzuspielen können. Da kommt schnell die Frage auf Bleiben hier langsame Lerner und nicht so begabte Programmierer auf der Strecke, die das Team oft eher durch ihre Kommunikativen Fähigkeiten verstärkt haben. 4

Chancen: Qualität in kürzerer Zeit

Die neue Logik lautet: höhere Qualität, weniger Zeit, kleinere Budgets. Wo früher einOrchester nötig war, reicht heute ein Quartett – oder sogar ein Solist.Einzelpersonen können Projekte realisieren, die einst ganze Teams erforderten.

Gleichzeitigformieren sich neue Kreativ-„Bands“: flexible, hochspezialisierte Kollektive,vergleichbar mit Künstlergruppen aus den 20er Jahren. Doch entscheidend bleibt:Aus denselben Instrumenten unverwechselbare Musik zu schaffen. 5 6

Herausforderungen: Konsistenz, Regeln, Details

AI improvisiert stark – hält sich jedoch oft nicht konsequent an das „Notenblatt“. Stiltreue über längere „Kompositionen“ hinweg ist schwierig. Details verschwimmen odergeraten in Inkonsistenz.

Das ruft klassische Rollen zurück ins Rampenlicht: Retouch-Artists, Editors undAI-Wrangler übernehmen die Rolle der Dirigent:innen. Sie schleifen denKlang nach – schneller und günstiger, als AI bis ins Detail zu perfektionieren. 7

Rechtliche und ethische Dimensionen

Mit neuen Instrumenten kommen neue Regeln:

  • Deepfakes:     gefährliche Illusionen, die „falsche Stimmen“ erzeugen können.
  • Avatare     & digitale Zwillinge: Wer besitzt die Rechte am Klang der eigenen Stimme     oder am eigenen Gesicht?
  • Urheberrechte: Es gibt     keine „20%-Regel“. Entscheidend ist die Schöpfungshöhe – also, ob ein     eigenständiger kreativer Beitrag vorliegt. 8 9 10

Status quo: Die hybride Welt

Wir leben in einer Hybridphase. AI kann Workflows übernehmen, doch der Mensch bleibt derMusiker, der die Richtung vorgibt. Wie Photoshop einst Fotos geglättet hat, tutAI dies nun auf einer breiteren Ebene.

Das Mittelmaß wird billiger – mutige Solist:innen jedoch werden wertvoller. 11

Zukunft: Der kreative Geist als Hauptinstrument

Die entscheidende Veränderung: Durchschnittliche Outputs verlieren rasant an Wert, weil jeder sie erzeugen kann. Kreative Köpfe dagegen werden beschleunigt – ihreVisionen lassen sich direkter verwirklichen.

Organisationen, die Experimente fördern und Kreativität ernst nehmen, werden den lautestenApplaus ernten. AI bleibt das Instrument – die Melodie aber komponiert derMensch.12

Fazit: Auf die Welle springen – oder im Lärm untergehen

Die Entwicklung ist zu schnell, um auf der Tribüne zu warten. Jeder Einzelne sollte jetzt lernen, die neuen Instrumente zu spielen. Und Organisationen müssen Strukturen schaffen, in denen Orchester und Solisten experimentieren können.

DieUnterschiede in der Content-Produktion der Zukunft werden nicht durchTechnologie entschieden – sondern durch Kreativität und Haltung.

Wie spielt IhreOrganisation mit AI – nutzen Sie sie als Metronom für Effizienz oder als Mitspieler in einer kreativen Improvisation?

Quellen

  1. Weng, L. (OpenAI, 2023): Prompt Engineering
  2. DeepMind Research (2023): The importance of prompt     design
  3. Harvard Business Review (2023):     Generative AI and the Risk of Homogenization
  4. Zhang et al. (Stanford, 2023): Productivity Effects of     GitHub Copilot
  5. Accenture     (2024): The Future of Creativity
  6. Forbes (2024): AI Tools Empower     Indie Creators
  7. OpenAI (2023): GPT-4 Technical Report
  8. Europäische Kommission (2024): AI     Act Report
  9. WIPO (2023): AI & Personality     Rights
  10. Lutz, C. (2023): Urheberrecht im     Zeitalter von AI, in: ZGE (juristischer Fachbeitrag, hinter Paywall)
  11. New York Times (2023): From     Photoshop to Midjourney – The Smoothing Effect
  12. Deloitte (2024): AI in Media     & Entertainment